Photo: losch, 2012, CC BY-SA 3.0
Dorstadt – Augustiner-Chorfrauen, zeitweilig ev. Damenstift
Existenz: 1189 bis 1810
Heutiges Gebiet: Dorstadt, Landkreis Wolfenbüttel
Orden/Art: Stift; Augustiner-Chorfrauen; ev. Damenstift (1568-1630)
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Hildesheim; Fürstbistum Hildesheim
Vor seinem Tod am 15. Februar 1189 stiftete Arnold von Dorstadt auf seinem Herrenhof im Norden Dorstadts an der Caecilienkapelle ein Augustiner-Chorfrauenstift. Nach der Dotierung und Weihe übertrug er es mit allem Besitz und dem Patronatsrecht an die Hildesheimer Kirche. Geweiht war das Stift dem Heiligen Kreuz. Die Stiftsdamen waren den Regeln des heiligen Augustinus und der vita communis verpflichtet. Die Leitung des Stiftes nach außen lag bei den Pröpsten, während die Priorin die Geschicke im Inneren lenkte. Die Größe des Konventes betrug ca. 20 Stiftsdamen (ohne Laienschwestern). Zu den Klosterämtern gehörten: Propst (erstmals gennant 1191); Priorin/Domina (seit 1228), Subpriorin (1478), Küsterin (1264); Kämmerei (1298); Kellermeisteramt (1312); Bauamt (1328); Innenamt (1345). Schulmeisterin (1328); Verwalterin der Reliquien (nur 1343). Die Windesheimer Reform wurde in Dorstadt auf Betreiben der Hildesheimer Bischöfe gegen den Widerstand der Stiftsinsassen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts eingeführt.
Um 1236 wurden das Kloster Engerode, 1377 das Stift Wenthausen (Thale) und Mitte der 1460er Jahre das Kloster in Stendal für ihre Gründungskonvente mit Dorstädter Stiftsdamen besetzt. 1232 wurde die Pfarrkirche in Dorstadt erworben und 1236 dem Stift inkorporiert. Die (seit 1568) evangelische Kirche verblieb bis 1810 im Stiftsbesitz; ab 1643 war die Stiftskirche Pfarrkirche des katholischen Teils der Bevölkerung Dorstadts und die (Dorf-)Pfarrkirche hatte eigene evangelische Pfarrer. 1248 wurde dem Stift die Pfarrkirche in Bruchmachtersen (Salzgitter) mit dem Patronat übertragen, bis sie 1483 inkorporiert wurde. Die Pfarrstelle war von etwa 1300 bis 1476 eine Pfründe des Propstes; auch nach der Reformation blieb die Kirche in Bruchmachtersen bis 1810 im Besitz des Stiftes.
Mitte des 15. Jahrhunderts ist eine äußere Schule bezeugt; nach 1643 wurden die Schulmeister im Dorf finanziell unterstützt, und ein Schulhaus gehörte zum Stift. Seit 1569 sind zwei „Gasthäuser“ und ein „Krankenhaus“ sowie 1732 ein infirmarium bezeugt.
Die wirtschaftliche Grundlage bildeten grundherrliche Besitzungen. Nur in Dorstadt und im Vorwerk Nienrode sind dauerhaft Eigenwirtschaften nachzuweisen, ansonsten war die Mehrzahl der Güter zu Pacht ausgegeben. Neben dem Handel mit landwirtschaftlichen Gütern wurde seit dem 17. Jahrhundert eine Brauerei und im 18. Jahrhundert eine Brennerei betrieben. Hinzu kamen Wassermühlen im Dorf und auf dem Stiftsgelände, eine Ölmühle und eine Schmiede sowie alleiniges Fischereirecht an der Oker entlang der Dorstädter Gemarkung.
Nach der Hildesheimer Stiftsfehde fiel das Stift 1523 an das Fürstentum Wolfenbüttel. Nach 1568 wurde in Dorstadt die lutherische Lehre eingeführt, was zu einer Änderung in der Liturgie, der Ordenstracht sowie zur Einsetzung lutherischer Prediger führte.
1630 fiel es an das Hochstift Hildesheim zurück und wurde wieder katholisch. Bis zur Aufhebung übten die Windesheimer Kongregation und insbesondere das Stift Hamersleben einen großen Einfluss auf das Dorstädter Stift aus. Seit 1700 waren die Stiftsgeistlichen zeitweise als Seelsorger der Katholiken in der Stadt Wolfenbüttel zugelassen und betreuten zusätzlich die katholischen Zöglinge der Ritterakademie in Wolfenbüttel.
1810 hob die westphälische Regierung das Stift auf und verkaufte es. Die Stiftskirche diente als katholische Pfarrkirche, während die übrigen weitgehend erhaltenen Gebäude für den Gutsbetrieb genutzt wurden. Den noch im Stift lebenden Konventualinnen wurde freigestellt, das Stift zu verlassen oder vom Angebot auf freies Wohnrecht und Pensionen Gebrauch zu machen. Die Mehrzahl blieb in Dorstadt.
Von der mittelalterlichen Anlage ist nichts erhalten. Das heutige Gebäudeensemble stammt aus dem 18. Jahrhundert. Von der Kirche stehen nur noch die nördliche Wand und ein Teil des Chores. Nördlich schließt das ehemalige, zweigeschossige Konventsgebäude an, in dessen Untergeschoss sich der vollständig erhaltene Kreuzgang befindet. Direkt westlich liegt der Hof des inneren Stiftsbereiches, der vom Wirtschaftshof durch eine Abschlussmauer mit drei rundbogigen Zugängen getrennt ist. Der weiträumige Gutshof wird vom herrenhausartigen Propsteigebäude (heute Wohnhaus der Eigentümer) beherrscht. Auf der äußeren Umfassungsmauer ist im Westen ein klassizistischer Gartenpavillon aus der Stiftszeit erhalten. An Gold- und Metallarbeiten haben sich hauptsächlich Arbeiten aus dem 17. und 18. Jahrhundert in der katholischen Pfarrkirche und im Diözesanmuseum Hildesheim erhalten, von denen eine Monstranz von 1696 und ein achtarmiger Deckenleuchter mit Adler (18. Jahrhundert) hervorzuheben sind. Als einziges älteres Stück ist ein Kruzifix (um 1500) erhalten. Ferner Plastiken vornehmlich des 18. Jahrhunderts sowie unter den älteren eine Thronende Maria (um 1500), zwei Pietà (um 1500) und eine stehende Muttergottes mit Kind (erstes Viertel 16. Jh.). Zahlreiche Gemälde des 18. Jh. aus der Stiftskirche befinden sich heute in der katholischen Pfarrkirche. Im Propsteigebäude sind zwei Deckenfresken des Malers Joseph Gregor Winck von 1759 erhalten.
Literatur: Uwe Ohainski, Artikel Dorstadt – Augustiner-Chorfrauen, zeitweilig ev. Damenstift, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 330-339.
Germania Sacra: 67
GND: [7791813-7]
FemMoData: 556
Bearbeiterin: Leonie Bunnenberg