Photo: Roland Struwe, 2015, CC-BY-SA 4.0

Hildesheim – Domstift St. Maria

Existenz: 815 bis 1810
Heutiges Gebiet: Stadt Hildesheim
Orden/Art: Domstift; Kanoniker
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Hildesheim, Hochstift Hildesheim, bei ScKönigreich Westfalen

Das in der ersten Hälfte des 9. Jahrhundert vermutlich nach Übersiedlung aus Elze auf dem Hildesheimer Domhügel begründete Stift erlebte seine kulturelle Blüte im 11. Jahrhundert unter den Bischöfen Bernward, Godehard und Hezilo. 1042 fielen Dom und Domkloster einem Brand zum Opfer. Das Stift verfügte spätestens seit dem 10. Jahrhundert über einen Domprobst, später über einen Domdechanten. Die Domherren entstammten seit dem 12. Jahrhundert in der Regel dem niedersächsischen Adel. Kapitelämter waren außerdem: Domscholaster (erstmals genannt 2. Hälfte 10. Jahrhundert), Domkantor, Domküster und Domkellner (2. Hälfte 10. Jahrhundert). Seit dem 13. Jahrhundert erfolgte ein stetiger Ausbau des landesherrschaftlichen Besitzes. In dieser Zeit erreichte das Stift weitestgehend seine korporative Selbstständigkeit, der bischöfliche Einfluss auf das Domkapitel war nur noch gering. Seit dem Konstanzer Konzil und dem Wiener Konkordat von 1448 machte der Papst gelegentlich von seinem Kollationsrecht Gebrauch.
Das Stift verfügte über Marienreliquien, ferner Reliquien der Hl. Cäcilie, der Hll. Cosmas und Damian, des Hl. Epiphanius, des Hl. Speziosa sowie Cantius, Cantianus und Cantianilla. 1164 erwarb das Domkapitel den Kopf und den rechten Arm des Hl. Bernward. Wallfahrten fanden bereits vor seiner Heligsprechung zum Grab Godehards statt, des weiteren bis ins 16. Jahrhundert zu den Marienreliquien (besonders am 25. März, 15. August und 8. September).
Spätestens seit dem 10. Jahrhundert verfügte das Kapitel über eine eigene Domschule mit großer überregionaler Bedeutung, die sie erst im 13. Jahrhundert langsam, u. a. durch die Konkurrenz der Universitäten, verlor. Seit 1595 diente sie als vorbereitende Schule für den Besuch des neuerrichteten Jesuitengymnasiums und bestand als Elementarschule bis weit ins 19. Jahrhundert weiter. Die Gründungszeit des Domhospitals ist unklar, spätestens seit ottonischer Zeit hat es bestanden. 1161 wurde ein Neubau errichtet. An der Hospitalkirche (St. Johannis) entwickelte sich ein kleiner bruderschaftlicher Konvent. 1282 wurde der Bau erweitert. Nach Zerstörung 1332 und Neubau entwickelte es sich zum größten Hospital der Stadt. 1740 wurde ein Frauenspital eingerichtet, 1749 ein Waisenhaus für katholische Waisen und Findelkinder.
Dem Domkapitel gehörten die Kirchen bzw. der Patronat von Bettrum, Breinum, Calbecht, Detfurth und Schladen. Der Domprobst verfügte über Algermissen, Bleckenstedt, Gieboldehausen (im 18. Jh. gegen Rautenberg vom Stift Gandersheim eingetauscht), Harlingerode, Itzum und Liedingen, der Domdekan über die Kapelle in Wittenburg. Zum Amt des Domscholasters, Domkellners und Domkantors gehörten die Kirchen Gutstedt, Langenholzen bzw. Rethen.
Der Güterbesitz des Domkapitels umfasste seit dem 11. Jahrhundert einen weiten Streubesitz. Der weiteste Besitz lag seit dem 14. Jahrhundert etwa 80 km entfernt, weshalb eine zusammenfassende Verwaltung nicht möglich war. 1382 verfügte man über die Villikationen Barum, Beddingen, Söhlde, Bülten, Hoheneggelsen, Adlum, Algermissen, Müllingen, Hasede, Borsum, Itzum, Lede, Himmelsthür, Losebeck. 1802 umfasste der Besitz die Ämter Marienburg, Steinbrück und Wiedelah neben kontribuablen Gütern, Forsten, Brauereien, Brandweinbrennereien, Mühlen u.v.m.
Im 16. Jahrhundert kam es wiederholt zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Herzögen von Braunschweig-Lüneburg. Als die Stadt Hildesheim 1542 zum Protestantismus übertrat, blieb das Stift katholisch. 1573 bis 1761 stammten die Bischöfe aus der Familie der Wittelsbacher Herzöge, was den katholischen Charakter des Stiftes sicherte. 1802 fiel das Hochstift Hildesheim an Preußen, das daraufhin alle Männerklöster auflöste. Das Domstift wurde 1810 unter französischer Regierung im Königreich Westphalen aufgelöst. Der heutige Dom ist ein Wiederaufbau des 1945 zerstörten Vorgängerbaus und orientiert sich an der Baugestalt desjenigen Doms unter Bischof Hezilo.
Im 19. Jahrhundert verfügte das Geläut über fünf Glocken: die 140 Zentner schwere Glocke, Maria genannt, die Godehards- und die Bernwardsglocke, die Peter- und Paul- sowie die Nikolausglocke. Bemerkenswert sind fünf französische Gobelins mit Szenen aus der Geschichte der Artemisia, die von 1609-27 angefertigt wurden. Zu den Inschriften vgl. DI 58.

Literatur: Hans-Georg Aschoff, Artikel Hildesheim – Domstift St. Maria, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 654-681.

Germania Sacra: 832

GND: [4513334-7]

Bearbeiter: Aaron Schwarz