Stiftskirche St. Martin in Nörten, Abbildung aus Merian, Topographia […] Braunschweig und Lüneburg, Frankfurt 1654
Nörten – Kollegiatstift
Existenz: 1055 bis 1810
Heutiges Gebiet: Nörten-Hardenberg, Landkreis Northeim
Orden/Art: Kollegiatstift
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Erzdiözese Mainz; Erzstift Mainz, bei Aufhebung: Königreich Westphalen
1055 wurde das Stift zu Ehren der Jungfrau Maria und des Apostelfürsten Petrus errichtet und mit erzbischöflichen Tafelgütern ausgestattet. Stifter war Erzbischof Lupold von Mainz. Der Stiftsprobst besaß ab Mitte des 12. Jahrhunderts die Funktion eines Archidiakons im Erzbistum Mainz. 1253/54 wurden die Stiftsgüter in Propst- und Kapitelsgut geteilt. Der Gründungskonvent umfasste zwölf Kanoniker. Diese Zahl war als Höchstzahl festgesetzt. Die Stiftsherren, die meist der Umgebung entstammten, waren sowohl adeliger als auch nicht-adeliger Herkunft. An der Leitung waren neben dem Propst ein Vizeprobst, ein Dekan und ein Senior beteiligt. Die vita communis, das gemeinsame Leben der Stiftsherren verfiel schnell.
Die Nörtener Pfarrkirche St. Martini mit drei Tochterpfarreien in Bishausen, Lütgenrode und Elvese war dem Stift inkorporiert. Das Patronatsrecht übte das Stift über die Pfarrkirchen von Lenglern, Holtensen und Seulingen aus. Spätestens seit dem 13. Jh. gab es eine Stiftsschule. 1510 entstand ein Hospital für Pilger, dem 1520 eine Kapelle angeschlossen wurde. 1369 versuchte Herzog Otto der Quade von Braunschweig-Göttingen vergeblich das Stift an die Göttinger Jakobikirche zu verlegen. Zwischen 1471 und 1490 war das Stift Steina mit Nörten vereinigt.
Der Gründungsbesitz umfasste Grundbesitz, Nutzungsrechte, Zehnte und Abgaben in Nörten und 27 weiteren Ortschaften zwischen Ildehausen (bei Seesen) und Birkenfelde (südlich von Heiligenstadt). Außerdem betrieb das Stift eine Mühle an der Leine (später s.g. Papenmühle), eine weitere in Angerstein und einen Mühlanteil in Bishausen sowie das Fischereirecht in der Leine zwischen Beverbach und Rodebach. Bei der Stiftsteilung 1553/54 fielen die Zehnten in Groß Schneen, Seulingen und Berwartshausen sowie Geldzinsen vom Nörtener Propsteihof und aus Birkenfelde dem Kapitel zu. Dazu kam ein Stadthaus in Göttingen.
Im 16. Jahrhundert war das Stift von der Verbreitung der Reformation im Nörtener Umland zunächst nur wirtschaftlich betroffen. Ab Mitte des Jahrhunderts kam es zu Spannungen mit den Herren von Hardenberg, die sich im 17. Jahrhundert verschärften, als diese aus kurmainzischen Diensten in den Schutz der welfischen Herzöge wechselten. Der Stiftsbezirk war seither als kurmainzisches Gebiet im Herrschaftsgebiet der welfischen Herzöge und Kurfürsten isoliert. 1626 wurde das Stift von den Truppen Herzog Christians von Braunschweig-Wolfenbüttel geplündert und niedergebrannt, so dass die Kanoniker bis 1630 nach Bernshausen am Seeburger See auswichen.. Der Anspruch der katholischen Stiftspartei auf Pfarrrechte über nicht-katholische Einwohner Nörtens stellte bis zum Ende des Stifts einen dauernden Streitpunkt dar. 1802 kam das Stift formal an Preußen, aber wurde erst 1806 auch de facto preußisch, 1807 Teil des Königreichs Westphalen, bis es 1810 aufgehoben wurde.
Die Stiftskirche aus dem Mittelalter ist nicht erhalten. Der heutige Nachfolgebau stammt von 1894/95.
Literatur: Bengt Büttner, Artikel Nörten – Kollegiatstift, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 1089-1096.
Germania Sacra: 857
Bearbeiter: Aaron Schwarz