Photo: Klosterkammer, Dr. Jens Reiche
Hildesheim - Kanonissen oder Benediktinerinnen, später Kollegiatstift St. Mauritius
Existenz: 1025/28 bis 1810
Heutiges Gebiet: Stadt Hildesheim
Orden/Art: Kanonissenstift oder Benediktinerinnenabtei; später Kollegiatstift, Säkularkanoniker.
Damalige kirchliche/weltliche Zugehörigkeit: Diözese Hildesheim, Hochstift Hildesheim, bei Auflösung Königreich Westphalen
Bischof Godehard errichtete ein erstes Kloster um 1025 auf dem Zierenberg bei Hildesheim, das 1028 den Heiligen Mauritus geweiht wurde. Die Existenz einer geistigen Gemeinschaft in der Gründungszeit ist allerdings ungewiss. Erst seit Bischof Hezilo sind dort Kanonissen belegt, er wandelte den Frauenkonvent jedoch bald in ein rein männliches Stift mit 16 Kanonikern um. Seit der Gründung verfügte das Stift über einen Probst, der in erster Linie das Kapitelvermögen zu verwalten hatte. Neben der Klosterkirche Godehards ließ Hezilo seine Grabeskirche errichten. 1051 wurden die Besitzungen auf päpstlichen Erlass zwischen dem Probst und den Kanonikern aufgeteilt. Das Leben der Kanoniker orientierte sich an der sog. Aachener Regel, im 12. Jahrhundert wurde die vita communis, das gemeinsame Klosterleben, bereits aufgegeben. 1273 stiftete Bischof Otto I. eine Kantorei. Der erste Scholaster tritt 1205 auf. 1369 werden „Schlafschüler“ erwähnt. 1318 bestand eine Schule für das Bergdorf, in der die Kanoniker unterrichteten. 1695 wurde eine Mädchenschule gegründet, die vom jeweiligen Pfarrer verwaltet wurde. Ein Hospital wird lediglich einmal in einer Urkunde aus dem Jahre 1195 erwähnt. Zur Mitwirkung am Von Alten-Hospital siehe Kreuzstift. Nach dem Domstift galt das Moritzstift als das angesehenste in Hildesheim. 1151 werden Archidiakonatsrechte in den Kirchen zu Emmerke, Oedelum (1258 abgetreten an Kloster Loccum), Lucienvörde, Heyersum und die Kapelle St. Godehardi genannt. Die Kanoniker nahmen die Besetzung in St. Nikolaus vor. 1504 ist das Patronatsrecht in Almstedt, der späteren Wüstung Arnhußen, Barienrode, Bierbergen, Föhrste, Hildesheim-Dammstadt, Hildesheim-Altmünster, Ölsburg und Lucienvörde belegt.
Bereits mit der Gründung verfügte das Stift mit Besitzungen in 16 Ortschaften und sechs Zehnten eine reiche Ausstattung. Bis 1151 vermehrte sich der Besitz auf 14 Vorwerke, 269 Hufen, 253 Morgen, den Zehnten in elf Ortschaften sowie u.a. den Wald Crenlo (Krehla), drei Hausstellen und die Einkünfte der Mühle. Insgesamt erstreckte sich der Besitz über 50 Ortschaften von Esperde im Weserbergland bis Brandesleben in der Provinz Sachsen, von Linden bei Hannover bis Westfeld und Woltershausen im Amt Winzenburg. Das Stift versuchte in der Folgezeit größere zusammenhängende Besitzungen zu erwerben. Die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage veranlasste das Stift im 13. Jahrhundert, sich von wertvollen Gütern zu trennen. Die Schenkungen und Landverkäufe an das Stift ebbten um 1500 ab. Im 17. Jahrhundert gingen einige Besitzungen auf die Jesuiten über. Anfang des 19. Jahrhunderts wurden die jährlichen Einkünfte auf über 14.000 Reichstaler geschätzt.
Im 14. und 15. Jahrhundert wurde das Stift durch Übergriffe der Stadt (1347) und Fehden in Mitleidenschaft gezogen. Dabei kam es wiedeholt zu Zerstörungen und Plünderungen, wie auch während der Hildesheimer Stiftsfehde 1522. 1526 stellten sich die Kanoniker daher unter den Schutz Herzog Erichs I. von Braunschweig-Lüneburg. Während der Reformation blieb das Stift katholisch. Im Dreißigjährigen Krieg wurden die Stiftsanlagen zerstört und die Kanoniker mussten nach St. Michael ausweichen. Der Wiederaufbau dauerte bis ins 18. Jahrhundert an. Kurz vor der Auflösung zählte das Stift insgesamt 14 Kapitulare. Am 17. Dezember 1810 wurde das Stift von der westphälischen Regierung aufgehoben.
Die Stiftskirche St. Mauritius mit einem Kreuzgang aus dem 12. Jahrhundert ist erhalten. An Glocken finden sich eine Glocke „Zu Ehren Unserer Lieben Frau“ (1594), und drei weitere Glocken (1613/14 bzw. 1652/53). 1766 wurden die Mauritius-, die Marien- und die Josephsglocke gegossen. Alle existieren bis heute. Zu Inschriften vgl. DI 58.
Literatur: Hans-Georg Aschoff, Artikel Hildesheim – Kanonissen oder Benediktinerinnen, später Kollegiatstift St. Mauritius, in: Niedersächsisches Klosterbuch. Verzeichnis der Klöster, Stifte, Kommenden und Beginenhäuser in Niedersachsen und Bremen von den Anfängen bis 1810, herausgegeben von Josef Dolle unter Mitarbeit von Dennis Knochenhauer, (Veröffentlichungen des Instituts für Historische Landesforschung der Universität Göttingen Band 56,1), Bielefeld 2012, S. 698-705.
Germania Sacra: 95
FemMoData: 1441
Bearbeiter: Aaron Schwarz